Eschenbach und Der W – live in Nürnberg

17. Dezember 2011 at 21:58

Ein Gastartikel von Domi Herold

Nasskalter Wind peitschte den vor der altehrwürdigen -teils verruchten- Szenerie wartenden Fans ins Gesicht und umhüllte das Panorama der Christkindlsmarktstadt in einen melancholischen Eigencharme. Der W-Tross hat pünktlich zum Schneefallbeginn in Bayern Halt gemacht, genau genommen im bestens bekannten Löwensaal. Eben jener Location, die ihre Türen auch für die „Schneller, Höher, Weidner Tour“ öffnete und damals lediglich durch eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit zum Gesprächsthema wurde. Weder war die Halle – wobei, der Name „Löwensaal“ eigentlich selbstredend ist und weitaus mehr Repräsentativität aufweist – ausverkauft, noch war die Stimmung so, als dass man Jahre später noch Worte darüber verlieren müsste.Vielleicht war die suboptimale Saalauslastung Grund für das damals eher langatmige Konzert. Vielleicht war es auch eine tiefe innere Abneigung aller Anwesenden gegenüber diesem alten nach Schweiß stinkenden Gebäude. Die Chemie stimmte damals einfach nicht, der Funke sprang nicht über – es fehlte schlichtweg die Resonanz, die Tragfähigkeit der Emotionen. Das worauf es bei einem Konzert eben ankommt. Authentizität, der Wille einen Teil von sich loszulassen, damit etwas Großes entsteht. Ein Konzert ist immer ein Geben und Nehmen, dass nur dann gelingt, wenn Band und Fans auf einer Welle schwimmen, wenn ein „Spirit“ durch die Hallen fegt, der für diese knapp zwei Stunden allen inne wohnt. Nun, warum ich dennoch ein paar Takte über das damalige Konzert verliere, erklärt sich leicht. Dieses mal stimmte die Chemie, und wie! Der Verbund zwischen JC, Dirk, Henning und Stephan, zwischen den jungen und alten Fans, zwischen dieser zutiefst hässlichen Halle und der umschwenkenden Temperatur – von Zittern lassenden Minusgraden in eine feucht fröhliche Sauna-Atmosphäre – gelang, und wie gut er das tat! So gut, das sogar der W persönlich Nürnberg als einen seiner Tour-Favorites rühmte.

Doch zunächst alles auf Anfang:
Gegen 18 Uhr kreuzte ich vor der Halle auf, um zunächst einen kurzen Plausch mit Freddy zu halten – während ich den Launen des Dezembers schamlos ausgeliefert war, erzählte er von seiner eben in den Eschenbach-Bus georderten Pizza. Nun, 1-0 für Freddy. So ein Backstagepass hat seine Vorteile. Ich dachte mir in alter W-Manier „Gewinnen kann jeder“. Das Schicksal sollte mich belohnen und mir kurz darauf den Ausgleich schenken. Während sich gegen 19 00 Uhr nämlich die Schleusen öffneten und die W-Fans in Richtung Wärme strömten, wartete unser lieber Freddy immer noch auf seine Pizza. Dazu muss man allerdings sagen, dass die taktischen Probleme mit dem Einlass Freddy bereits bekannt sind, hatte er doch schon bei der Autournomie 1 in der Dortmunder Westfalenhalle den Einlass gnadenlos verpasst – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Westfalenhalle, gutes Stichwort! Natürlich waren – wie damals – auch heute wieder Eschenbach als Vorband aktiv. Chapeau meine Freunde, ich muss sagen ihr habt euch echt gut gemacht. Nicht nur das konnte ich feststellen, sondern auch wie hoch die Akzeptanz der Weidnerfans für euch und eure Lieder schon ist. Manche Zungen sprechen schon davon, dass ihr ein Teil der W-Family geworden seid. Höhepunkt sicherlich hunderte von Fäuste, die bei „Blick in den Spiegel“ zielsicher gen Bühne gestreckt wurden und von deren Besitzer textsicher untermalt worden sind. Mission accomplished, genau das was man von einer Vorband verlangt.

Der W und der Löwensaal 2.0
Nachdem Eschenbach den Löwensaal schon gut vorgeheizt hatte, brachte der W den Putz an der Decke endgültig zum Bröckeln. Eine überragendes „In stürmischer See“ tauchte die Halle sogar kurzzeitig in sehnsuchtsvolle Wohlfühloase, aus drückender Enge und Rock’n’Roll Flair wurde ein scheinbar zeitloses Gefühl der Geborgenheit, ein Moment an dem die Zeit still stand und die Energie die einzige messbare Komponente darstellte. „Ihr könnt es Nürnberg, ihr könnt es“, lobte Stephan sein Publikum nach dem zweiten neuen, alten Livesong „Du kannst es“, der neben den üblichen Verdächtigen wie Geschichtenhasser, Schatten und mein bester Feind als Eskalationsmedium diente. Ebenfalls erweisen sich „Ihr habt Recht“ und „Gedanken können lernen“ also überdurchschnittlich live tauglich und manövrierten sich quasi eigenständig in eine Must-Have Kategorie für die nächste Tour. Der Saal tobte und die Menge skandierte lautstark „Stephan Weidner – und seine Band!“ Selten habe ich auf vorherigen Tourkonzerten – egal, ob SHW oder Autournomie 1 – eine derartige Power, eine derartige Welle der Einigkeit gespürt. Selbst das auf DVD verewigte Dortmundkonzert kann da nicht mithalten. Stephan sah das genauso, als er sagte, dass er das Gefühl hat das mit jeder Tour und jedem einzelnen Konzert etwas Größeres entsteht und die Fangemeinschaft mehr zusammenwächst – keine abgeschwächte und schlechte Neuauflage eines Onkelzmythoses, nein etwas Neues, Eigenes und das ist das schöne, dass das eine wachsen und gedeihen kann, ohne, dass das andere verblüht und stirbt.
Für mich war dieses Konzert das Beste, was ich bisher von W+Band sehen durfte. In dieser Nacht wurde eine Erkenntnis geboren, dass selbst die hässlichste, unkomfortabelste Halle, Spielfeld eines Spektakel werden kann. Und warum? Weil wir die Spielregeln bestimmen, weil wir die Segel so setzen, dass der Wind uns begünstigt.

Wir sind alle ein pars pro toto – ein Teil vom Ganzen – und bestimmen somit das Geschehen direkt mit. Darum wünsche ich mir, dass eben jener Spirit, der heute Nacht spürbar war noch öfter durch die Hallen Deutschlands geistert.
„Ihr könnt es, Nürnberg – ihr könnt es“

PS: Freddy landete dann doch noch in der ersten Reihe und wir trennten uns freundschaftlich mit einem Unentschieden. Für heute war’s das, aber ich wittere schon wieder meine Chance, denn es gibt Dinge, die werden sich wohl nie ändern 😉
Cheers.

Domi Herold hat für weidnerwatchblog.de diesen Gastartikel geschrieben – Vielen Dank dafür!