Offener Brief an die Böhsen Onkelz

8. Februar 2014 at 13:17

Ein Gastbeitrag von Peter Hammerschmidt.

Liebe Bandmitglieder der Böhsen Onkelz,

seit nunmehr 15 Jahren bin ich treuer Anhänger der Band.
Ich habe euch in Saarbrücken erlebt, mit euch auf den steinernen Treppen der Loreley getanzt, habe in Frankfurt stundenlang vor der Halle im Regen gestanden und war natürlich auch auf der Lausitz.

Neun Jahre ist es nun her, dass die Onkelz beerdigt wurden.
Ihrem Lebenswerk angemessen pilgerten im Juni 2005 Hunderttausende Schwarz-Shirt-Träger in den Osten der Republik, um dem Mythos, nein, um der Legende die letzte Ehre zu erweisen. Ehrfürchtig sank man auf die Knie, um den vier Jungs auf der Bühne zumindest in Ansätzen zu verdeutlichen, was ihr Lebenswerk für einen selbst bedeutete.
Gewiss, die Onkelz waren immer mehr als eine Band. Als „rettender Hafen“ für gestrandete Seelen bezeichneten sie sich einmal selbst. – dies trifft es wohl sehr genau. Und so war es nur angemessen, dieser Band Tribut zu zollen und ihnen das Versprechen zu geben – getreu dem Motto der Abschieds-Show – ein Stück der Onkelz auf den weiteren Lebensweg mitzunehmen. – auf dass die Legende niemals sterbe. Bei einem lauen Sommerregen und den Klängen von „Erinnerungen“ wurde diese Legende in Watte gepackt, eingesargt und in die Erde gelassen. 120.000 Angehörige brüllten ein „Wir danken euch“ zum Abschied hinterher. – sehr ergreifend, ein wahrhaft einmaliger Abschied, unvergessen für alle Angehörigen der Familie.

Nun, neun Jahre später, im Jahr 2014, soll dieser Sarg nun wieder geöffnet werden. Vielleicht ist es Voyeurismus, pure Sensationshascherei oder doch die schier niemals endende Suche nach dem „rettenden Hafen“, der wieder einmal Hunderttausende zu diesem Event pilgern lässt. Es hat den Anschein einer modernen Leichenfledderei, bei der nun auch die letzten Überreste noch einmal begutachtet werden sollen, die noch übrig geblieben sind. Dass die Onkelz seit 2005 selbst genug dazu beigetragen haben, dass die mühsam aufgerichteten Wirbel des Rückgrates zu brechen begannen, soll hier nicht Thema sein.

Es freut mich zu lesen, dass die neue Generation der Onkelz-Fans (diejenigen, die nie die Chance hatte, euch live zu erleben) nun mit Vorfreude auf den Hockenheim pilgert. Genau, wie wir es taten: Im Opel Corsa, in dem acht Mann Platz finden, aus den Boxen brüllt Kevins Stimme und der Promille-Pegel steigt kongruent zum Kilometerzähler.
Auch jenen, die die Bandgeschichte nur am Rande verfolgen, die in erster Linie zum Konzert fahren, um guten Live-Rock zu erleben, sei auf die Schulter geklopft! Ich bin sicher, der Weg wird sich lohnen und das Konzert auf dem Ring ein unvergessliches Erlebnis.

All jenen, die sich nicht nur mit der Musik, sondern auch mit der Historie dieser Band identifizieren und die den Werdegang der Jungs, aber auch den „neuen Hype“ um die bereits beerdigte Legende mit Bauchschmerzen verfolgen, denen soll dieser Brief als Sprachrohr dienen.

Ich habe lange überlegt, ob ich im Juni zur Wiederauferstehung fahre. – Eine Entscheidung, die nicht leicht gefallen ist. So oft kommt es nunmal nicht vor, dass ein naher Angehöriger von den Toten aufersteht, den Staub aus dem Gesicht wischt, dich angrinst und sagt, „hier bin ich!“ Und was, wenn dieser „Jungbrunnen“ nichts mehr mit dem zu tun hatte, den man 2005 verabschiedete, was, wenn die Zeichen, die auf eine ganz neue Marketing-Maschinerie hindeuten, sich bewahrheiten? Was, wenn dieser Spirit, den man in seine heimische Vitrine gepackt hat und jeden Sonntag hervorkramt, um ihn vorsichtig abzustauben, doch nicht den Wert hat, den man einst annahm?

Machen wirs kurz und fassen zusammen:
Wie ihr seht, ist die Bedeutung eures Lebenswerkes für viele, auch für mich, nach wie vor präsent.
Verbunden ist damit zugleich aber die Angst, dass das Lebenswerk, das uns soviel Identifikation bot und zum Teil von uns geworden ist, Risse bekommt.

Was also tun? Hinfahren und warten was passiert?

Ich habe lange überlegt….stand Tage neben mir….ging auf und ab….und als ich in einer Stillen Minute die Lausitz-DVD auflegte, Kevins ach so menschlichen „Versinger“ bei „Onkelz 2000“ hörte, wurde mir bewusst: Ja, verdammt….nichts ist perfekt, nichts so heilig, dass man es nicht doch noch einmal ins Rennen schicken könnte….alles auf Schwarz! Alles nach vorn! Njet, nichts geht mehr! Mag sein, dass Kritiker über euch herfallen werden….gewiss tun sie das. Die Messer sind gewetzt.
Aber was auch kommen mag: Mit dem Konzert 2014 seid ihr schon jetzt einen Schritt gegangen, der Symbolkraft hat und den viele (auch die mit Bauchschmerzen) irgendwann werden nachvollziehen können.

Heute war es dann soweit. 12 Uhr! High Noon!
Grinsend vor dem PC sitzend zählte ich die Minuten, um endlich mein Passwort einzugeben.
Machen wirs kurz: Es hat diesmal nicht hingehaun mit uns. Ich werde nicht dabei sein.

So ist das mit den tragischen Geschichten zwischen totgeglaubten Angehörigen und einem selbst.
Man hat ne Einladung für die Auferstehung und die Karre verreckt….warum musste es nach 9 Jahren aber auch immer noch der alte Corsa mit dem mittlerweile völlig zerfledderten Onkelz-Aufkleber sein?!

Ich tröste mich seitdem mit dem Gedanken, dass meine Karte ein 16-jähriger in Händen hält, der 2005 noch an seiner Schultüte bastelte und nun, mit langen zotteligen Haaren – so wie ich damals – sein erstes Onkelz-Konzert erleben darf. Hab Spaß und gib Gas, Jung! Du hast nen Auftrag zu erfüllen! 😉

Und wenn dir irgendwas dazwischen kommt (ich hoffe du hast kein Corsa), dann melde dich.
Gerne werde ich dich an dem großen Tag vertreten und dir sicher von einem wahrhaft historischen Moment berichten können…
Die 70 Tacken kriegste natürlich! Auch gerne einen neuen Heckscheibenaufkleber, direkt vom Ring!

Liebe Onkelz, ich wünsche euch bei eurem Jungfernflug nach neun Jahren Abstinenz das Beste!
Lasst die Bühne beben und den Ring erzittern!

Wenn am 20. Juni gegen 9 Uhr die Glocken läuten, dann werde ich wissen……ihr seid wieder da!